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Stevens Tagebuch
USA, EI Paso / Texas
Samstag, 26. Oktober 1985
Wir sind im William Beaumont Army Hospital, weil die Wehen eingesetzt haben. Eigentlich 3 Wochen zu früh. Uns wird aber klar, heute wird Steven zur Welt kommen. Als die Wehen stärker werden, sind Stevens Herztöne plötzlich nicht mehr zu hören. Ich werde im Eiltempo in den Kraißsaal geschoben damit ein Kaiserschnitt vorgenommen werden kann. Kaum dort angekommen kommt Steven doch in einer normalen Geburt zur Welt.
Er ist so klein (Gewicht 1610 g, 40,5 cm lang, Kopfumfang nur 28 cm). Wenn Steven schreit, hört es sich an wie das Miauen einer kleinen Katze. (Noch wissen wir nicht, dass dieses Schreien kennzeichnend für das Cri-du-Chat-Syndrom ist). Ich kann Steven nur kurz sehen, weil er sofort mit Sauerstoff versorgt werden muss ...und dann ist er auch gleich weg - auf die Intensivstation für Neugeborene (NICU).
Steven 3 Tage alt |
Ich bin aus dem Krankenhaus entlassen. Steven muss noch bleiben. Weil er seine Körpertemperatur nicht halten kann, wird er weiter in einem Inkubator auf der NICU versorgt. Wir können jederzeit kommen und dürfen ihn füttern, wickeln und aus dem Inkubator herausnehmen oder ihm Sachen, wie Spieluhr, Teddy usw. geben.
Steven sieht nicht aus wie die anderen Frühgeborenen auf der NICU. Sie sehen alle sehr faltig und schrumpelig aus... Steven sieht mehr aus wie ein normal geborenes Baby mit recht glatter Haut, nur viel kleiner. Die Ärzte nehmen jetzt an, daß seine geringe Größe daher kommt, weil die Nabelschnur nicht 3 sondern nur 2 Leitungen hatte und der Fötus damit unterversorgt war. Der berechnete Geburtstermin wurde aufgrund der Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft gleich mehrmals (wegen seiner geringen Körpergröße) "korrigiert". Er war also gar nicht 3 Wochen zu früh, sondern in der Zeit. Die Ärzte machen uns Mut: er wird das Gewicht schon bald aufgeholt haben und dann wird er sich normal weiterentwickeln.
Steven 2 Wochen alt |
Keine Spur von Gewicht aufholen. Steven nimmt nur langsam zu. Um 3o g aus der Flasche zu trinken braucht er eine Ewigkeit. Meist ist er zu müde zum Trinken und dann wird er mit einer Sonde gefüttert. Das Stillen klappt auch nicht so richtig.
2 1/2 Wochen später
Ich bin für drei Tage im Krankenhaus zum "rooming in" und habe Steven auf dem Zimmer. Wir wollen versuchen ihn nun zu stillen. Es kommt aber kaum Milch. Steven verliert sofort wieder an Gewicht. Er ist nur noch am Weinen und ich fertig mit den Nerven. Stillen hat einfach keinen Zweck und er bekommt ab sofort nur noch die Flasche .
Steven 3 Wochen alt |
Steven wiegt jetzt 1800 g. Er hat in den letzten 3 Wochen nur 200g zugenommen. Trotzdem haben wir ihn vorgestern mit dem Kommentar : "Your Baby is O.K. now" endlich nach Hause bekommen, weil er jetzt selber die Temperatur halten kann. Noch immer wissen wir nichts von seiner Behinderung. Steven ist immer noch ein winziges Baby. Uns fällt das gar nicht so auf . Es ist ja unser erstes Kind und ... die Nabelschnur!
Steven ist jetzt die zweite Nacht zu Hause, aber irgend etwas stimmt nicht. Wir fahren gleich ins Krankenhaus.Er hat beiderseits Leistenbrüche, in die sich jetzt ein Stück Darm eingeklemmt hat. Er wird sofort operiert. Zwei Stunden banges Warten vor dem Operationsraum, aber dann dürfen wir gleich zu ihm. Es ist alles gut überstanden.
Steven ist jetzt endgültig zu Hause. Er weint aber viel und schläft wenig. Eine Milchzuckerunverträglichkeit wird festgestellt. Seine Nahrung wird auf Sojabasis umgestellt. Jetzt ist er viel ruhiger.
Steven will immer noch nicht richtig wachsen. Um der Sache jetzt endgültig auf den Grund zu gehen wird ihm erneut Blut abgenommen.
Diese Nachricht ist so erschütternd. Wir wollen jetzt alles über das Syndrom wissen und haben in der Bibliothek des Krankenhauses etwas über CDC gefunden (The Journal of Pediatrics, November 1970). Darin wird das Syndrom in Hinsicht auf die Entwicklung des Kindes sehr negativ beschrieben. Mehr Informationsmaterial scheint es hier aber nicht zu geben.
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